Der Münzschatz in der Laneburg

Die Entdeckung des Schatzes auf der Laneburg ist ungewöhnlichen Umständen zu verdanken, da das Versteck besonders geschickt angelegt war. Die Fundstelle, ca. 2 m rechts vom sog. „Landgräflichen Turm", war praktisch aus großer Entfernung von außen einsehbar, aber ohne Leiter oder Gerüst nicht zugänglich.
Der Hort war durch eine starke Außenmauer geschützt. So war es zunächst reiner Zufall, dass wegen des für die Restaurierungsarbeiten um die Burg laufenden Gerüstes ein Fachmann das Mauerwerk aus nächster Entfernung besichtigen konnte und dabei auffällige Erscheinungen bemerkte, welche die nähere Untersuchung auslöste.
Seit 1999 begleitete das Büro für Burgenforschung Dr. Joachim Zeune, Eisenberg, die Arbeiten an der Burg. Die Untersuchungen führte der Kunsthistoriker und Restaurator Thomas Starke durch. Als die Sandstrahl-Reinigung der Außenmauer durch eine Pause unterbrochen wurde, ging Starke die Mauer auf dem Gerüst ab. Zum Zufall kam die Sorgfalt der Beobachtung. Starke fiel ein Loch auf, das etwas Mauerfremdes, vielleicht ein Vogelnest, barg. Es traten einige Stoffreste aus einem sog. Gerüstloch von etwa 10 cm Durchmesser, das von innen etwa 15° anstieg, hervor. Dies war eine in der Mauer ausgesparte Führung für einen Balken, an dem ein Baugerüst einzuhängen war.
Die Münzen waren auf etwa 45 cm des Loch-Verlaufs innerhalb der 60 cm starken Mauer verteilt. Der grobe Leinenstoff mit neun Fäden auf 1 cm im Gewebe entpuppte sich als Rest eines ca. 17 cm langen, zusammengenähten Geldbeutels. Dieser war, wie sich bei vorsichtiger Erweiterung des Loches herausstellte, gut gefüllt.
Bei der Bergung des Schatzes am Vormittag des 15. März 2000 halfen Heinz Strauß und Heinz Hubert. Denkmalpflege und Gemeinde können sich glücklich schätzen, wenn in einem so herausragenden Fall die richtige Hilfe zur Hand ist. Sie war es!
Nachdem das Versteck behutsam ausgeräumt war, zählte man 211 Silbermünzen. Es erwies sich, dass das Gerüstloch nicht von außen mit dem wertvollen Inhalt befüllt worden war. Der Raum im Inneren, aus dem man das Versteck angelegt hatte, war seit langem unzugänglich und, wohl Folge des Brandes von 1900, mit Schutt verfüllt. Jemand hatte einen Abort genutzt, um dort das Geld in der Außenwand zu verstecken. Aus dem Abort ging es 8 m abwärts, 4 m in einem gemauerten Schacht, dessen Austrittsöffnung weithin sichtbar ist. Das Gerüstloch war nach der Deponierung mit Mörtel aus Kalk und Sand verschlossen worden. Der Schatzbildner hat mithin an dem „stillen Örtchen" ein Geschäft erledigt, das weit über die normale Verrichtung an einem solchen Platz hinausging. Neben dem Geld muss er einen Eimer bei sich gehabt haben, der kaum zur Spülung diente, sondern angerührten Mörtel zum Verschluss des Versteckes enthielt. Dieses lag etwa 1 m über Fußbodenniveau, also in Sichthöhe eines Sitzenden zu dessen linker Seite. Eine „Baumaßnahme" wie die Beschriebene konnte an solch speziellem Ort nur jemand vornehmen, der die Situation in der Burg genau kannte und sich und das Versteck vor Überraschungen sicher fühlte. So ist der Schatz kaum einem auf der Burg weilenden Fremden zuzuschreiben.
Die an der Bergung Beteiligten haben vorzüglich kooperiert und verantwortungsvoll gehandelt. Binnen weniger Tage war der Kontakt zu dem für die Bearbeitung von Münzfunden zuständigen Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde in Marburg hergestellt, das die historische Auswertung übernahm. Entdecker von Schätzen geben oft Stücke als Andenken aus der Hand oder teilen gar Funde auf, bevor sich ein Fachmann der Sache annehmen kann. Die kompetente Bergung schloss dieses Problem aus und schuf in allseitigem Einvernehmen übersichtliche Verhältnisse.
Der Schatz bleibt Eigentum der Gemeinde Löhnberg, die ihn geschlossen als Bestand von Kulturgut bewahrt. Vor Übernahme zur Bearbeitung wurde der Schatz in der Geschäftsstelle der Kreissparkasse der Öffentlichkeit vorgestellt. Heinz Strauß sorgte mit großem Engagement für die Präsentation des Fundes. Der Schatz wurde so, wie das lebhafte Interesse an der Veranstaltung zeigte, auch zu einer Angelegenheit der Bürgerinnen und Bürger von Löhnberg.
Datierung des Schatzes
Erste inhaltliche Frage bei jedem Schatz ist die nach der Zeit seiner Verbergung. Maßgeblich ist zunächst das jüngste Stück, die Schlussmünze: 24 Mariengroschen 1687 aus Zellerfeld. Nach seinem fast stempelglänzenden Zustand kann das Stück nur kurz umgelaufen sein. Ein 2/3 Taler aus der gleichen Münzstätte stammt von 1686, drei Fundstücke sind von 1685, fünf von 1684. Auch diese der Schlussmünze nachstehenden Stücke haben kaum Spuren umlaufsbedingter Abnutzung. Somit ergibt sich als Jahr der Verbergung 1688.
Geldwert und Kaufkraft
Die Bestimmung des Geldwerts, welche den Schatz in das Währungssystem des ausgehenden 17. Jahrhunderts stellt, kann also nach den Verhältnissen in Frankfurt erfolgen. Unter den Umständen des monetären Wandels war für den Schatz der Geldwert nach der jeweiligen Tarifphase zu kalkulieren.
Ausgehend von 122 Gulden im Rechengeld ist die Beziehung zwischen dem Schatz und dem Preisgefüge der Verbergungszeit herzustellen. Die Amtsrechnungen belegen eine hohe Kaufkraft. So kommt der Schatz auf die Geldeinkünfte des Nassau-Diezer Amtes auf der Laneburg für 2 ½ Monate. Für Johann Philipp Diehler, der nach anderen Quellen recht wohlhabend war, wären dies vier Jahresbezüge an Bargeld gewesen.
Die äußeren Umstände zur Zeit der Verbergung des Geldes
Wer das Versteck in der Laneburg in den späten achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts so sorgsam angelegt hat, tat dies in der Absicht, bei passender Gelegenheit oder konkretem Geldbedarf die große Barschaft wieder an sich zu nehmen. Die Außenmauer bot Sicherheit vor jedwedem Zugriff, wenn das Geheimnis gewahrt blieb. Verschwiegenheit war der beste Schutz für den Schatz.
Wegen der von den französischen Truppen am Rhein ausgehenden Gefahr waren die Verhältnisse an der mittleren Lahn um 1690 sehr unruhig. Es waren beträchtliche Militäroperationen im Zusammenhang des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688 - 1697), welche das Lahntal als eine der großen Linien für Aufmarsch und Nachschub in ihren Bann zogen.
Die Durchzüge des Militärs hielten den nassau-weilburgischen Amtskeller zu Löhnberg in ständiger Aktivität. Christoph Gabriel Weigang war von Oktober 1688 an bis in die neunziger Jahre als „Marschkommissar" tätig, reiste Truppen der verschiedensten Territorien entgegen, begleitete sie beim Durchmarsch und versuchte kommende Durchzüge von Einheiten aller Art abzuschätzen. Weigangs Abrechnungen von Verzehr- und Reisekosten spiegelten die militärische Operation wider, die ihn bis weit in die Wetterau führten. Im Januar 1689 weilte er in Braunfels, um den Landesausschuss der miteinander verbündeten kleinen Grafschaften an der Lahn zur Abwehr mitzuorganisieren. Man befürchtete zu diesem Zeitpunkt, wie es die Rechnungen von Löhnberg konkret ausdrückten, einen Einfall der Franzosen.
Die Verbergung an einem so intimen Ort in der Burg weist auf einen mit der dortigen Situation gut vertrauten Besitzer des Geldes hin, der den nötigen Zugang hatte. So dürfte es sich bei diesem um den dort von 1683 bis 1709 residierenden Diezer Amtskeller Johann Philipp Diehler oder um einer Person aus seinem unmittelbaren sozialen Umfeld handeln, keinesfalls um einen Fremden, dessen Spuren in Abortnähe sofort aufgefallen wären.
Warum das Geld im Versteck blieb, gehört zu den großen Geheimnissen bei fast jedem Schatz. Mitunter wurden Verstecke so sorgfältig angelegt, dass man sie nicht wieder fand. Andere wurden schlicht vergessen, besonders, wenn andere Teile des Vermögens, womöglich aus weiteren Depots, für den Schatzbildner greifbar waren und für diesen somit kein Bedarf bestand, alles Geld wieder an sich zu nehmen. Der Eigentümer des Schatzes dürfte also verstorben sein, bevor er anderen mitteilen konnte, wo die beträchtliche Summe verborgen war. So bleibt das Geld letztlich sein Vermächtnis an die Nachwelt und kann nun zum monetären wie kulturellen Erbe des Gebietes an der mittleren Lahn gezählt werden.
Seit dem Jahr 2010 wird der Münzschatz dauerhaft in den Geschäftsräumen der Kreissparkasse Weilburg in Löhnberg präsentiert und kann von jedem bewundert werden.




